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Wer hat einen Migrationshintergrund? – Eine Frage der Definition

 

Workshop an der OTH Regensburg zeigt Probleme auf und diskutiert Lösungsansätze

 

Migration und Integration sind als Themen in aller Munde, ob nun in der Debatte um den demografischen Wandel und Fachkräftemangel, die Flüchtlingspolitik oder aktuell bei der Frage, ob die Bundesrepublik ein neues Einwanderungsgesetz benötigt. In all diesen Diskussionen spielen Bevölkerungsdaten der amtlichen Statistik sowie Analysen der Integrations- und Migrationsforschung eine große Rolle.

Auf Einladung des Statistik Netzwerks Bayern, dem auch die Ostbayerische Technische Hochschule (OTH) Regensburg angehört, trafen sich am 17. April 2015 Fachleute aus dem gesamten Bundesgebiet zum Workshop „Personen mit Migrationshintergrund in der Statistik“, um aktuelle Daten und Erhebungsmethoden zu dieser Bevölkerungsgruppe vorzustellen, Probleme aufzuzeigen und Lösungsansätze zu diskutieren.

Der Präsident der OTH Regensburg, Prof. Dr. Wolfgang Baier, begrüßte die knapp 20 Teilnehmer und wies in seinem Grußwort auf die wachsende Bedeutung der Forschungsaktivitäten an der OTH hin, nicht nur in den originär technischen Bereichen sondern gerade auch in den Sozial- und Gesundheitswissenschaften. Entsprechend erfreut zeigte er sich über die Arbeit des Statistik Netzwerks Bayern und den hochkarätig besetzten Workshop.

Unterschiedliche Zahlen je nach Datenquelle

Dr. Sabine Bechtold vom Statistischen Bundesamt und Dr. Michael Fürnrohr vom Bayerischen Statistischen Landesamt eröffneten anschließend den inhaltlichen Teil mit einem Blick auf die deutschlandweit repräsentative Erhebung des Migrationshintergrunds im Mikrozensus seit 2005 sowie die Methodik und Ergebnisse des Zensus 2011. Die beiden Datenquellen unterscheiden sich unter anderem hinsichtlich des Stichtages für den Zuzug und in den Fragen zur regionalen Herkunft.


Dr. Sabine Bechtold

Der nächste Zensus im Jahr 2021 werfe bereits seine Schatten voraus, und deshalb sei eine frühzeitige Debatte über Probleme der bisherigen Datenlage und mögliche Lösungen empfehlenswert. Fürnrohr fasste die Situation so zusammen: „Wenn heute ein Politiker wissen möchte wie hoch der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund in Bayern ist, müssen wir oft die Gegenfrage stellen, nach welcher Definition er das denn gerne hätte.“

Nach diesen bundes- und landesweiten Perspektiven stellte Dr. Ansgar Schmitz-Veltin für die Stadt Stuttgart die kommunalpolitische Sicht dar. Hier sind insbesondere kleinräumige, kontinuierlich fortschreibbare Daten interessant, weshalb die Städtestatistiker im Kommunalen Statistischen Informationssystem (KOSIS) mit dem Programm MigraPro eine eigene Methode auf den Weg brachten, um anhand der vorhandenen Melderegisterdaten Informationen zur Zuwanderungsgeschichte der Bevölkerung zu erhalten.

Seit 2012 erhebt auch die Bundesagentur für Arbeit per freiwilliger Befragung Informationen zum Migrationshintergrund für die Arbeitsmarktstatistiken. Joachim Fritz erläuterte die rechtlichen Grundlagen hierfür, die konkrete Umsetzung und bisherige Ergebnisse.

Perspektive der Forschung

Im Anschluss an die Vorstellung der unterschiedlichen amtlichen Datenquellen stand die Perspektive der Forscherinnen und Forscher, die mit diesen Daten arbeiten, im Mittelpunkt. Prof. Dr. Sonja Haug (OTH Regensburg) erläuterte anhand verschiedener Beispiele aus ihrer eigenen Forschungsarbeit die Probleme, die sich durch unterschiedliche Definitionen und entsprechend verschiedene Grundgesamtheiten ergeben.


Die Referentinnen und Referenten (von links nach rechts): Joachim Fritz, Prof. Dr. Cornelia Kristen, Prof. Dr. Sonja Haug, Dr. Michael Fürnrohr, Dr. Ansgar Schmitz-Veltin, Dr. Sabine Bechtold

Prof. Dr. Cornelia Kristen (Otto-Friedrich-Universität Bamberg) stellte die Problematik bei der Analyse von Integrationsprozessen aus Sicht der Bildungsforschung dar. Dabei wies sie insbesondere auf die fehlenden Daten zur dritten Zuwanderergeneration hin, die gerade für die Forschung zur Integration ins Bildungssystem von großer Bedeutung sind.

Wunsch nach Vereinheitlichung

Einigkeit bestand unter den Fachleuten über den Wunsch nach einer Vereinheitlichung der amtlichen Erhebungen, um in Zukunft sicherzustellen dass im wissenschaftlichen wie im allgemeinen öffentlichen Diskurs alle vom Gleichen sprechen, wenn von „Migrationshintergrund“ die Rede ist. Gerade im Hinblick auf den nächsten Zensus im Jahr 2021 sei es besonders wichtig, diese Expertensicht in die politische Debatte einzubringen.

 

Das Statistik Netzwerk Bayern wurde im Februar 2013 als Plattform für den gegenseitigen Austausch von Wissen und Erfahrung gegründet. Aktuelle Mitglieder sind: Bayerisches Landesamt für Statistik, Otto-Friedrich-Universität Bamberg, Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Ostbayerische Technische Hochschule Regensburg, Institut für Statistik der Ludwig-Maximilians-Universität München, Institut für Geographie und Geologie der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Universität Augsburg, Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Friedrich-Alexander Universität Erlangen-Nürnberg sowie das ifo Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e. V.

Text und Fotos: Matthias Vernim

siehe auch: Beitrag in Spektrum 1/2015